Geburt von Magdalena
Sonntag, 2.06.2019, 40+6
Nach einer komplikationsloscn Schwangerschaft bin ich fast eine Woche über dem errechneten Entbindungstermin. Mir geht's körperlich noch sehr gut, aber so langsam werde ich ungeduldig und möchte unser drittes Baby endlich kennenlernen. Außerdem hatte sich die Frauenärztin am Freitag beim obligatorischen Termin besorgt gezeigt, da die Plazenta schon „sehr verkalkt" sei und nur noch wenig Fruchtwasser da wäre. Das macht mir zusätzlich Sorge. Heute feiern wir allerdings Johannas vierten Geburtstag; da soll es bitte nicht ausgerechnet losgehen. Im Gottesdienst morgens fragen natürlich alle, wann es denn so weit sei und warum ich noch da wäre. Ich bekomme den Tipp, zur Geburtseinleitung Kniebeugen zu machen. Der Tag ist ziemlich trubelig und vollgepackt, so dass das Baby gar nicht auf die Idee kommen kann, geboren zu werden. Nachdem alle Gäste weg sind, mache ich noch fünf Kniebeugen und komme mir dabei reichlich blöd vor.
Montag, 03.06.2019, 41 +0
Um ca. 3:30 Uhr wache ich auf, weil ich auf die Toilette muss. Danach kann ich, wie so oft in den letzten Wochen, nicht mehr einschlafen. Irgendwann bemerke ich ein unregelmäßiges, mensartiges Ziehen. Das hatte ich in den letzten Tagen immer mal wieder. Irgendwann stehe ich auf, mache Frühstück und versorge die Kinder. Michi wird heute mit ihnen in den Kindergarten zum Waldtag gehen, um dort Johannas Geburtstag nachzufeiern. Ich sage ihm, dass er erreichbar bleiben soll, aber auch, dass ich noch nicht sagen kann, wohin das führen wird. Sabine, unsere Hebamme, warne ich ebenfalls vor. Sie hat sich sowieso für 14 Uhr für einen Vorsorgetermin angekündigt. Auch einer anderen Mutter aus dem Kinderbaus schreibe ich, da sie ggf. Michi als Elterndienst ablösen wird. Den Vormittag über mache ich den Haushalt, lege mich aber auch immer wieder auf's Sofa oder mit dem Oberkörper über den Ball. Die Wehen (Sind es überhaupt welche? Ich bin immer noch unsicher.) sind unregelmäßig und ich muss sie nicht veratmen. Ich nehme das also nicht so ernst. Gleichzeitig denke ich, dass das nun der Geburtsbeginn ist. Einzig, wie lang es noch dauert, kann ich nicht sagen. Daher verzichte ich auch darauf, Michi nach Hause zu beordern. Ich gehe davon aus, dass es noch Stunden dauern wird und möchte auch lieber ungestört sein. Gegen 12 Uhr hole ich Wäsche aus der Maschine im Keller und muss dort eine Wehe veratmen. Ich hänge die Wäsche auf dem Balkon auf und habe dabei nun ständig Wehen, die ich aufgestützt veratmen muss. Ich gehe wieder in die Wohnung und tracke die Abstände mit einer App: Hm, Wehen alle 2-3 Minuten, aber nur ca. 40 Sekunden lang. Was soll das werden? Die nächste Stunde verbringe ich so, bis Michi gegen 13: 15 Uhr mit den Kindern kommt. Ich fühle mich von ihrer Anwesenheit total gestört und ziehe mich zurück. Ich bitte Michi, die Kinder zu meinem Schwager zu bringen. Sie fahren gegen 13:45 Uhr los. Kurz davor frage ich Sabine, ob sie wie geplant zur Vorsorge kommt. Sie schreibt, dass sie gerade auf dem Weg sind. Ich bin sehr erleichtert. Vielleicht hat sie noch einen Tipp, was ich tun kann, denn ich habe das Gefühl, nicht sehr gut mit den Wehen klar zu kommen. In meine Hypnoseübungen komme ich gar nicht rein und ich denke, dass das ja erst der Anfang ist. Um 14:15 Uhr kommt Sabine mit ihrer Hebammenschülerin Miriam. Ich schildere ihnen den bisherigen Verlauf und Sabine sagt, dass sie mir längere Abstände und längere Wehen wünschen würde. Sie schlägt Mittagsschlaf oder Badewanne vor, um eine Änderung zu bewirken. Zuerst tastet sie aber noch die Kindslage, da unser Baby in der Woche zuvor leicht schräg lag, mit dem Köpfchen rechts vom Beckeneingang. Glücklicherweise ist es jetzt gut eingestellt, mit dem Kopf mittig über dem Becken. Sabine hört auch noch nach den Herztönen -alles gut. Während der Untersuchung muss ich etliche Wehen verarmen und ich habe echt Angst, dass das noch Stunden so weitergehen wird. Sabine und Miriam lassen mir nun die Badewanne ein - eine Wohltat! Die Wehen sind trotzdem fies, aber es verändert sich etwas am Rhythmus. Die Pausen werden etwas länger und ich finde die Wehen leichter zu bewältigen. Mir hilft das bewusste Atmen zum Kind hin und auch das Lockerlassen von Kiefer und Lippen. Nach nur wenigen Minuten in der Wanne macht es spürbar ,,knack" in meinem Bauch und ich merke, dass die Fruchtblase geplatzt ist. Ich informiere Sabine. Sie sagt, dass das Fruchtwasser leicht grün ist und es gut sei, dass das ßaby heute geboren werden möchte. Sie baut nun mit Miriam den Pool auf. Ich bin im Badezimmer für mich; Sabine kommt immer wieder, um nach den Herztönen zu hören oder einfach da zu sein. Irgendwann sagt sie „ich glaube, dein Baby hat es eilig". Um 15 Uhr kommt Michi wieder und wird von Sabine erst mal darüber unterrichtet, dass die Fruchtblase geplatzt ist. Sie bittet ihn, eine Zange zu holen, damit der Pool befüllt werden kann, und sagt „ich glaube, deine Frau möchte jetzt bald ihr Kind bekommen''. In diesem Moment begreife ich überhaupt erst, dass ich wirklich schon mitten unter der Geburt bin und nicht erst ganz am Anfang. In der Küche wird Kaffee gekocht (ich würde jetzt auch lieber Kaffee trinken als gebären... ) und der Pool befüllt, während ich in der Wanne Wehe um Wehe verspüre und schon Druck nach hinten verspüre. Irgendwann kommt Sabine und sagt, dass ich in den Pool umziehen kann und vorher nochmal auf Toilette gehen soll. Irgendwie kriege ich das zwischen zwei Wehen hin und gehe dann ins Wohnzimmer. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass der Ofen für die warmen Handtücher schon läuft und kapiere nochmal mehr, dass alle davon ausgehen, dass es nicht mehr lange dauert. Der Pool ist eine Wohltat - so viel Platz, und ein gemütlicher Rand zum Festhalten und Anlehnen. Ich habe jetzt bei jeder Wehe einen richtig fiesen Druck nach hinten und kann nicht mehr anders, als die Wehen laut zu vertönen und „aua!" zu brüllen. Noch immer versteht mein Hirn nicht, dass das tatsächlich schon die Presswehen sind Mein Körper hat völlig übernommen, alles passiert ohne mein bewusstes Tun. Ich MUSS einfach pressen. Nur, dass ich tief einatmen muss, um das Baby mit Sauerstoff zu versorgen, das sagt mir mein Hirn noch. Bei einer Wehe kommt Michi dann zu mir, um meine Hand zu halten. Ich bin froh, dass er da ist; gleichzeitig kann er nichts tun, um mir zu helfen. Ich sage „im Krankenhaus würde ich jetzt eine PDA verlangen" und Sabine antwortet darauf, dass sie im Krankenhaus sagen würden, dass es dazu zu spät sei. Ich sehe, dass Sabine auf dem Wohnzimmertisch ihr Stethoskop und Unterlagen hinrichtet, und nun weiß ich auch mein Verstand, dass das Baby gleich da sein wird. Das motiviert mich sehr. Ich kann auch fühlen, wie der Kopf mit jeder Wehe tiefer tritt. In den Pausen leitet Sabine mich an, zu entspannen und dem Kopf Raum zu geben. Irgendwann sagt Sabine, dass der Kopf gleich da ist, und ich taste danach. Ich kann ihn tatsächlich schon spüren und muss unweigerlich lächeln. Mit der nächsten, unglaublich schmerzhaften Wehe, bei der ich denke, ich zerreiße innerlich, wird der Kopf geboren -und dann gibt's tatsächlich nochmal eine Wehenpause, in der ich ungläubig meine Hand am Köpfchen habe und es noch nicht fassen kann. Mit der nächsten Wehe wird dann auch der Körper unseres Babys geboren. Sabine sagt, dass es noch kurz unter Wasser bleiben soll und sie es erst auswickeln muss -es hat die Nabelschnur zweimal um den Körper und zweimal um den Hals geschlungen. Sie wickelt es aus und reicht es mir auf die Brust, wo es mit einem warmen Handtuch zugedeckt wird. Ich kann nichts sagen und staune nur, während ich aus den Augenwinkeln sehe, dass Michi weint. Das Baby beginnt zu atmen und ich denke nur „geschafft" und bin überglücklich. Wir bleiben noch eine Weile im Pool und machen Fotos - und schauen nach, wer da zu uns gekommen ist: Unser drittes Mädchen, Magdalena Lisann! Als wir den Eindruck haben, dass es ihr zu kalt wird, ziehen wir ins Bett um, wo wir erst mal laaaaange kuscheln, während Sabine und Miriam im Wohnzimmer aufräumen. Irgendwann kommt dann auch die Plazenta - Sabine betont noch einmal, dass es gut sei, dass Magdalena geboren wurde; die Fruchtblase ist ziemlich grün. Die Plazenta ist allerdings nicht verkalkt, also alle Sorgen umsonst! Und ich bin komplett unverletzt geblieben, unvorstellbar! Nach längerer Zeit wird dann auch Magdalena vermessen und gewogen: 3000 Gramm, 50 cm und 36 cm Kopfumfang. Unser zierlichstes Baby mit dem größten Kopf.;-) Sabine und Miriam verlassen uns gegen 18:30 Uhr und wir genießen noch ein bisschen die Ruhe mit Magdalena, bevor mein Schwager irgendwann die großen Mädels nach Hause bringt. Die beiden sind total fasziniert von ihrer Schwester, können gar nicht von ihr ablassen und schlafen an diesem Abend verständlicherweise nur sehr schwer ein. Ich bin sehr froh, dass es mit einer Geburt tagsüber geklappt hat und die Betreuung der Kinder gesichert war.