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Geburt von Lotta

Wenn Du mich mal fragst, wie Du geboren wurdest…

Dann will ich Dir sagen, dass es friedlich war. Und innig und frei. Dass es kraftvoll war und voller Konzentration. Dass wir beide zusammen gehalten haben und unser inneres Band nie gerissen ist.

Um 5:30 morgens, am Tag an dem Du zu uns kommen wolltest, ist meine Fruchtblase geplatzt. Dein Papa und ich lagen noch im Bett und auf einmal war alles warm und feucht. Ich habe keine Schmerzen gespürt und keine Angst gehabt, obwohl ich die Wochen zuvor viel gezweifelt habe, wie ich ein so großes Ereignis schaffen kann. Doch was mir da noch nicht bewusst war ist, ich war nicht allein. Du hast dich auf den Weg zu uns gemacht und wir haben uns so sehr auf Dich gefreut. Noch heute, fast vier Monate später, schmunzelt Dein Papa darüber, dass ich gleich ausgerufen habe: Jetzt kommt unser Kind noch vor dem Wochenputz! Ich wollte das alles für Dich bereit war. Aber natürlich war es Dir egal, wie sauber der Badezimmerboden war oder ob die Küchenschublade noch ausgesaugt werden musste. Das zeigst Du uns noch heute- was wirklich wichtig ist.

Dein Papa hat Sabine geschrieben, doch wir haben noch keine Eile verspürt. Gemütlich haben wir im Bett gefrühstückt und geredet. Sabine schaute am Vormittag nach uns und alles war noch ruhig. Wir warteten geduldig, Du wüsstest schon, wann der richtige Zeitpunkt gekommen war. Also gingen wir einfach noch einmal in die Natur. Ein bisschen durchatmen war genau das, was sich jetzt richtig anfühlte. Und dann kam der richtige Moment schneller als gedacht. Mitten zwischen Feldern, auf einem Schotterweg den wir heute liebevoll „Geburtsspaziergang“ nennen wenn wir wieder die selbe Runde gehen, überraschte mich die erste Wehe. Sie überraschte mich, denn mit dieser Kraft und Heftigkeit hatte ich nicht gerechnet. Schnell war Dein Papa ganz nah bei mir, atmete mit mir und half mir nach Hause. Es ging unendlich langsam, denn die Wehen kamen jetzt kraftvoll und ich spürte sie im ganzen Körper. Übelkeit überkam mich.

Als wir daheim ankamen, war ich sehr erleichtert. Hier konnte ich mich völlig gehen lassen und fühlte mich sicher. Ich zog alles aus, was unbequem war und gab die Führung ab. Obwohl Du mich sicher so gar nicht kennst, konnte ich mich bei Deiner Geburt ganz auf mein Gefühl konzentrieren und mich einfach treiben lassen von dem was geschah. Alle gemachten Pläne, alle Listen auf Klemmbrettern und vorbereiteten Kisten waren auf einmal irrelevant. Das Gefühl, was jetzt richtig war und wann die Zeit gekommen war zu atmen und zu ruhen, war stark und immer gegenwärtig. Getragen wurde dieses Gefühl auch von Deinem Papa, der immer bei mir war und in sich ruhte. Vor dieser Erfahrung hätte ich mir nie vorstellen können, dass man so vertrauen kann. Auf sich selbst und die eigene Stärke, auf den Partner und seine Stütze und auf Dich und Deine Signale. Während Dein Papa und ich gemeinsam atmeten und den Schmerz in Töne umwandelten, kam Sabine zu uns. Mitten ins Geschehen und genau zur richtigen Zeit war sie einfach da. So blieb es für den Rest der Zeit auch. Sie war da wenn wir sie brauchten, umsorgte uns und doch war sie nie im Vordergrund. Als ich Zeit zur Ruhe brauchte, um die Heftigkeit von Allem zu verarbeiten, baute sie im Hintergrund den Geburtspool auf. Ich habe selten so eine wohlige Entspannung erlebt, als ich gegen Mittag in das warme Wasser steigen konnte. Jeder Muskel konnte sich entspannen und kurz zur Ruhe kommen.

Bald ging es jedoch weiter, du hattest dich schon auf den Weg gemacht und warst bereit zu uns zu kommen. Jede Wehe war nun von einer unfassbaren Kraft und Stärke. Wenn ich mir zuvor noch Gedanken darüber gemacht hatte, die Nachbarn nicht zu stören und mich nicht vor Sabine und Deinem Papa zu entblößen, so gab ich jetzt alles frei. Jeder Schrei, jede Bewegung brachte mich näher zu dir. Während ich in diesen Momenten nur mein Inneres wahrnahm, mussten Sabine und Dein Papa wohl auch die Welt um uns herum noch gesehen haben und sich etwas um das Wasser und den Pool gesorgt haben. So magisch dieser Prozess für mich war, konnte ich zwischen zwei Wehen Deinen Vater schmunzeln sehen - für einen kurzen Augenblick war ich wieder da und wusste sofort warum er lachen musste. In seiner Vorstellung ergoss sich schon durch unsere Bewegungen der gesamte Poolinhalt in unserem Wohnzimmer, in seinen Gedanken schwappte das Wasser bis in den Flur. Eigentlich hatte ich mir ja gewünscht bei Deiner Geburt auch noch Lachen zu können, aber alles was ich von mir geben konnte war ein Raunen: „Lach nicht so! Ich beiße schon nicht in den Pool!“ Jetzt mussten die Beiden endgültig lachen.

Doch schon wenige Augenblicke später spürte auch er, dass die Zeit nun wirklich gekommen war. Du warst fast da. Ich konnte es gar nicht glauben, hatte eigentlich mit einer unerträglich langen Geburt gerechnet und mich auf eine Nacht mit Schmerzen eingestellt. Und nun kamst du mitten am Nachmittag zu uns. Mit jeder Wehe konnte ich dein Köpfchen spüren, wie Du dich immer weiter vorkämpftest. Die letzten Wehen waren ohne Schmerzen. Ich spürte einen unendlichen Druck und gab ihm nach. Du wurdest um 14:52 Uhr im Wasser geboren. Du hast nicht geweint.

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